Hacksaw Ridge - Die Entscheidung

von: Mel Gibson

Im Mai 1945 endete zwar der Zweite Weltkrieg in Europa, nicht aber der Pazifikkrieg. Denn vom 1. April bis zum 30. Juni 1945 tobte die Schlacht um Okinawa, die letzte Verteidigungslinie, die einer Invasion der japanischen Hauptinseln durch die Alliierten im Weg stand. Über diese Schlacht drehte Lewis Milestone bereits 1951 mit Richard Widmark in der Hauptrolle den Spielfilm "Halls of Montezuma" (deutscher Filmtitel: "Okinawa").

Für den Spielfilm von Mel Gibson "Hacksaw Ridge - Die Entscheidung" bildet die Schlacht um Okinawa allerdings den Hintergrund, auf dem sich eine schier unglaubliche, jedoch auf wahren Tatsachen beruhende Geschichte abspielte. Denn Gibsons Film erzählt von den Heldentaten des Soldaten Desmond T. Doss, der als erster Kriegsdienstverweigerer die Tapferkeitsmedaille "Medal of Honor" der Vereinigten Staaten aus der Hand des Präsidenten Harry Truman erhielt.

Nach einer kurzen Einführung mit verstörend realistischen Bildern aus der Schlacht, die durch die Zeitlupe einen noch größeren Eindruck hinterlassen, folgt das Drehbuch von Robert Schenkkan und Andrew Knight dem klassischen Aufbau in drei Akten. Als Kind leidet Desmond T. Doss (Darcy Bryce) unter seinem gewalttätigen Vater Tom (Hugo Weaving), der als Kriegsteilnehmer am Ersten Weltkrieg seine Freunde auf dem Schlachtfeld hatte sterben sehen und seitdem dieses Trauma in sich trägt. Von seiner Mutter Bertha (Rachel Griffiths), einer gläubigen Siebenten-Tag-Adventistin, lernt Desmond eine für seinen weiteren Lebensweg entscheidende Wahrheit: "Das Töten ist die schändlichste aller Sünden". Fünfzehn Jahre später lernt Desmond (nun von Andrew Garfield dargestellt) die bezaubernde Krankenschwester Dorothy (Teresa Palmer) kennen, die er später heiraten wird. Nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten meldet sich Desmond freiwillig zur Armee. Damit verbindet er allerdings einen ungewöhnlichen Entschluss: "Ich werde keine Menschen töten, ich werde sie retten".

Desmond will als unbewaffneter Sanitäter im Krieg dienen, ohne aber einen Schuss abzufeuern. Im Grundausbildungslager - dem zweiten Akt - sorgt dieses Ansinnen jedoch für Kopfschütteln und Ablehnung: Die Kameraden, allen voran Smitty Ryker (Luke Bracey), befürchten, Desmond werde im Ernstfall für sie eine gefährliche Belastung darstellen. Die Vorgesetzten lehnen seine Weigerung, eine Waffe in die Hand zu nehmen, strikt ab. Sowohl Sergeant Howell (Vince Vaughn) als auch Kompaniechef Captain Clover (Sam Worthington) beharren darauf, dass der Pazifist den Dienst quittiert. Desmond T. Doss erstreitet aber mit Hilfe seines Vaters vor einem Militärgericht das Recht, in den Krieg unbewaffnet zu ziehen.

Der dritte Akt von "Hacksaw Ridge - Die Entscheidung" findet in Okinawa statt. Desmonds Einheit erhält den Befehl, an der Erstürmung von Maeda oder "Hacksaw Ridge" teilzunehmen. Auf einer 122 Meter hohen Felswand sind schwer befestigte Maschinengewehrnester, Sprengfallen und zahlreiche japanische Soldaten in Höhlen versteckt, die mehrere amerikanische Angriffe abgewehrt haben. Als seine Einheit unter starken Beschuss gerät, befiehlt Captain Clover den Rückzug. Viele Schwerverwundete bleiben "oben". Desmond Doss zögert einen Augenblick und schleppt nach und nach etwa 75 schwerverwundete Kameraden bis zur Felswand, an der er sie abseilt. "Auch ein paar Japaner waren dabei", sagt später ein Augenzeuge, "aber sie starben vor der Ankunft im Lazarett."

Ganz anders als das überhöhte Bild eines unberührten Paradieses vom Schauplatz des Pazifikkrieges, das Terrence Malick in "Der schmale Grat" ("The Thin Red Line", 1998) bot, zeichnet Mel Gibson eine hyperrealistische Ansicht des Kriegs, die mit all den abgetrennten Gliedmaßen, zerplatzten Köpfen und in Zeitlupe verbrennenden Körpern Dantes Inferno nahekommt. Dieser Realismus wird auch nicht durch entsättigte, ausgebleichte Farben, wie beispielsweise in Clint Eastwoods "Letters From Iwo Jima", abgeschwächt. Abgesehen davon, dass im Gegensatz zu Eastwoods Film, der von den japanischen Soldaten ein nuanciertes, den gängigen Klischees von fanatischen Kämpfern entgegengesetztes Bild liefert, Mel Gibson konsequent aus amerikanischer Sicht erzählt. Dadurch werden die japanischen Soldaten zu einer gesichtslose Masse. Und wenn sie ein Gesicht zeigen, dann entsteht auf ihm ein Ausdruck der Verwunderung, weil Desmond den verletzten japanischen Soldaten nicht töten, sondern versorgen möchte. In dieser Hinsicht fällt "Hacksaw Ridge ? Die Entscheidung" in die klischeehafte Darstellung japanischer Kämpfer in den amerikanischen Kriegsfilmen der fünfziger Jahren zurück. Etwas mehr Ambivalenz in dieser Hinsicht hätte Gibsons Film gutgetan.

Der bis zum Exzess ausdrückliche Realismus, etwa seine vieldiskutierte Gewaltdarstellung in "Die Passion Christi", mag als ein Markenzeichen Mel Gibsons angesehen werden. Die rücksichtlose Darstellung der Rohheit des Krieges ist jedoch kein Selbstzweck. In "Apocalypto" diente Mel Gibson die Schilderung einer blutrünstigen Religion mit ihren Menschenopfern im vorkolumbianischen Amerika dazu, zu verdeutlichen, dass diese Religion den Menschen zwar Erlösung verspricht, sie aber nicht bieten kann. In "Hacksaw Ridge ? Die Entscheidung" kontrastiert das schonungslos gezeichnete Inferno umso mehr mit der Heldentat, mit dem Humanismus eines Desmond T. Doss.

 

R: Mel Gibson
USA 2016
Laufzeit: 131 Minuten  


Gekürzte Fassung mit freundlicher Genehmigung des Verfassers José García www.textezumfilm.de