Sophie Scholl - Die letzten Tage

von: Marc Rothemund

Anders als Michael Verhoevens „Die Weiße Rose“ widmet sich der Spielfilm „Sophie Scholl – Die letzte Tage“, der an der Berlinale 2005 zwei Silberne Bären (beste Regie, beste Darstellerin) sowie den Preis der ökumenischen Jury gewonnen hat, nicht der Widerstandsbewegung an sich. Er konzentriert sich konsequent auf seine Titelheldin.

John Marc Rothemund: Sophie Scholl - Die letzten Tage

R: Marc Rothemund
Deutschland 2004
Laufzeit 117 Min.

Der Studentenbewegung „Weiße Rose“, die sich seit dem Frühjahr 1942 im Umfeld der Münchner Universität als Widerstandsgruppe gegen das NZ-Regime formierte, setzte im Jahre 1982 Michael Verhoeven ein filmisches Denkmal. Anders als Michael Verhoevens „Die Weiße Rose“ widmet sich der Spielfilm „Sophie Scholl – Die letzte Tage“, der an der Berlinale 2005 den Silbernen Bären für die beste Regie (Marc Rothemund), den Silbernen Bären für die beste Darstellerin (Julia Jentsch) sowie den Preis der ökumenischen Jury gewonnen hat, nicht der Widerstandsbewegung an sich. Er konzentriert sich konsequent auf seine Titelheldin. Der Spielfilm „Sophie Scholl – Die letzte Tage“ zeichnet akribisch die Tage zwischen dem 17. und dem 22. Februar 1943 nach: vom Vorabend ihrer Verhaftung bis zur Hinrichtung Sophie Scholls zusammen mit ihrem Bruder Hans und mit Christoph Probst.

In den 22 Jahren nach Verhoevens Spielfilm hat sich die Quellenlage entschieden verbessert, weil nach der Öffnung der Stasi-Archive die Originalprotokolle der Vernehmungen Sophie Scholls zugänglich wurden. Auf dieser rund 30seitigen Wiedergabe der Verhöre durch den Gestapo-Ermittler Robert Mohr (Alexander Held) sowie auf den Aufzeichnungen von Sophies Zellengenossin Else Gebel (Johanna Gastdorf) basiert das exzellente Drehbuch von Fred Breinersdorfer. Das vollständige Drehbuch, das auf eine Filmlänge von 180 Minuten zugeschnitten war, kann nachgelesen werden in: „Sophie Scholl – Die letzten Tage“, hrsg. von Fred Breinersdorfer (Fischer Taschenbuch Verlag, 2005), das auch den Wortlaut der Flugblätter der „Weißen Rose“, eine kurze Geschichte der Widerstandsbewegung, biografische Notizen über die wichtigsten Mitglieder der „Weißen Rose“ sowie die Vernehmungsprotokolle enthält. Zwar wurde das Drehbuch vollständig verfilmt, die in den Kinos laufende Fassung wurde aber auf 117 Minuten verkürzt.

Wie Fred Breinersdorfer im Interview ausführt, wurde für die Filmdialoge darüber hinaus aus den Briefe und Tagebucheintragungen Sophie Scholls zitiert (Hans Scholl und Sophien Scholl. Briefe und Aufzeichnungen, hrsg. von Inge Jens, Fischer Taschenbuch Verlag, 8. Aufl. 2003).

In schnell geschnittenen Bildern zeigt der Film Sophie Scholl beim Hören von Swing-Musik aus dem „Feindsender“ BBC, beim Drucken und Versenden des letzten Flugblatts am Abend des 17. Februars, beim Schreiben des letzten Briefes an Lisa Remppis, während sie das Forellenquintett aus dem Grammophon hört, beim Auslegen des Flugblattes in der Universität am Morgen des 18. Februars sowie bei ihrer Verhaftung. Nun kommt der Film zur Ruhe und zu seinem Herzstück: die Verhöre durch den Gestapomann und die Gespräche Sophies mit ihrer Zellengenossin Else Gebel.

Angesichts der grandiosen schauspielerischen Leistung der drei Darsteller Julia Jentsch, Alexander Held und Johanna Gastdorf hält sich der Regisseur zurück: Nur hin und wieder verschiebt die Kamera ihren Standort, damit bei den Vernehmungen keine Monotonie entsteht, damit der Unterschied zur Theaterbühne klar wird.

Die minimalistische Inszenierung lässt viel Raum für eine Reise ins Innere Sophie Scholls, in die reiche Innenwelt einer lebensfrohen, hochgebildeten jungen Frau, die in den Tod ging, um ihre Idee nicht zu verraten, und die ihre innere Kraft aus dem Gebet schöpft. Denn ihre tiefste Quelle ihres Widerstandes gegen das atheistische Staatssystem war der christliche Glaube. Der Film legt deutlich, dass für sie nicht in erster Linie politische, sondern eher weltanschauliche Fragen im Vordergrund standen. Nicht von ungefähr traf die religiöse Erneuerung, die Sophie nach ihrer Ankunft in München im Mai 1942 im Kontakt mit großen katholischen Intellektuellen wie Professor Huber, dem Schriftsteller Theodor Haecker und dem Herausgeber der katholischen Monatsschrift „Hochland“ Carl Muth – in dessen Bibliothek sie arbeitete – vollzog , und die sich in ihrem Tagebuch niederschlägt, mit den Anfängen der „Weisen Rose“ zeitlich zusammen.

Für heutige Jugendliche, die einem nicht gerade christlichen Zeitgeist ausgesetzt werden, kann Sophie Scholl und ihre Mitstreiter, die „als gläubige Menschen ihr Eintreten für Menschenwürde und christliche Grundsätze mit dem Zeugentod besiegelt (haben)“ (Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, hrsg.v. Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz – das Martyrologium zählt unter den Blutzeugen Willi Graf, Kurt Huber und Christoph Probst), ein leuchtendes Vorbild sein.
(mit freundlicher Genehmigung des Verfassers José García www.textezumfilm.de)